Gut geschlummert: Diese Kunstwerke mussten ein halbes Jahr darauf warten, endlich ausgestellt zu werden

REGIONALE 21

In der Fabrikculture in Hégenheim konnte mit sechs Monaten Verspätung doch noch die trinationale Ausstellung der Regionale 21 eröffnet werden. 73 Künstlerinnen und Künstler aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich präsentieren hier noch bis Mitte Juni ihre Werke. Und diese sprechen (fast) alle Sinne an.

Rahel Koerfgen
30.05.2021, 05.00 Uhr

Heller, luftiger Raum: In der ehemaligen Textilfabrik in Hégenheim erhielten die Künstlerinnen und Künstler viel Platz für ihre Werke.
Heller, luftiger Raum: In der ehemaligen Textilfabrik in Hégenheim erhielten die Künstlerinnen und Künstler viel Platz für ihre Werke – Andreas Empl

Nach diesem Winter weiss sie, was es heisst, sich in Geduld zu üben. Gerda Maise schlendert in der Fabrikculture, der ehe­maligen Textilfabrik vor den ­Toren Hégenheims, andächtig von einem Kunstwerk zum nächsten. Als die Kuratorin der Ausstellung zu sprechen beginnt, tut sie das in fast schon liebevollem Ton: «Stellen Sie sich vor, all diese Arbeiten ­haben ein halbes Jahr lang hier in der Fabrikculture vor sich hin geschlummert.» Schlecht sei das nicht, im Gegenteil, sie habe den Eindruck, die Kunstwerke seien mit der Umgebung eins geworden, eine «prächtige Harmonie» sei das.

Ein halbes Jahr lang hat Maise auf diesen Moment, auf diese Synthese der Künste, gewartet; die Ungewissheit sei nicht einfach für sie gewesen, sagt sie. Die Vernissage hätte eigentlich am 29. November 2020 stattfinden sollen, musste coronabedingt aber kurzfristig verschoben werden. Und das nicht nur ein Mal, das habe an ihren Nerven gezerrt, so Maise. Nun war es am vergangenen Sonntag aber ­soweit, die trinationale Aus­stellung in der Fabrikculture gleich nach der Grenze zu Frankreich ist eröffnet.

Die Fabrikculture in einer ehemaligen Textilfabrik vor den Toren Hégenheims.
Die Fabrikculture in einer ehemaligen Textilfabrik vor den Toren Hégenheims – Andreas Empl

Dass die Ausstellung nun im Frühling stattfindet, wertet Maise heute als Glücksfall. Jetzt fällt die Ausstellung mit den Ateliers ouverts in Hégenheim zusammen, sodass Kunstinteressierte gleich doppelt auf ihre Kosten kommen. Zahlreiche Studios im Dorf öffnen ihre ­Türen und gewähren Einblick in ihr künstlerisches Schaffen. So etwa das Künstlerduo Christine Camenisch und Johannes Fetsch, das für seine Video- und Lichtinstallationen bekannt ist. In ihrem Atelier in der Fabrik­culture taucht der Besucher denn auch rasch in eine Welt des Licht und Schattens ein; an die Wand projizierte Wellenbewegungen, Wolkenströmungen, die stets im Fluss sind, schaffen das Gefühl, in eine sagenhafte Parallelwelt eingetreten zu sein.

Auch die Ateliers in Hégenheim haben offen derzeit. Hier zu Besuch beim Künstlerduo Christine Camenisch und Johannes Vetsch, die für ihre Videoinstallationen bekannt sind.
Auch die Ateliers in Hégenheim haben offen derzeit. Hier zu Besuch beim Künstlerduo Christine Camenisch und Johannes Vetsch, die für ihre Videoinstallationen bekannt sind – Andreas Empl

Plastikabfall in der Endlosschlaufe

Auch an der Ausstellung selbst, in der 400 Quadratmeter grossen Halle, fällt eine Videoinstallation auf, wenngleich eine kleinformatigere. Auf der Ab­lage eines Holzobjekts wird in der Endlosschlaufe eine Aufnahme des mit Plastikabfall versetzten Wassers im Hafen von Rotterdam gezeigt; immer und immer wieder. Kunst, die aufrüttelt, Kunst, die ganz konkret dazu mahnt, sorgsam mit der Umwelt umzugehen. Die Künstlerin Mimi von Moos lebt sowohl in Rotterdam als auch in Basel. Vor bald zwei Jahren hat sie die ehemalige Synagoge in Hégenheim gekauft und daraus ein Kulturzentrum geschaffen. Ein Heimspiel für sie also.

Da schwimmt er, der Plastikabfall im Meer bei Rotterdam. Die Videoinstallation von Mimi von Moos und ihre ganz unabstrakte Message.
Da schwimmt er, der Plastikabfall im Meer bei Rotterdam. Die Videoinstallation von Mimi von Moos und ihre ganz unabstrakte Message – Andreas Empl

Zu den Höhepunkten der von Gerda Maise konzipierten Ausstellung gehören gewiss auch das Hölderlin-Sofa, eine Installation mit Ton vom iPod von Christine Fausten. Aber auch die Baselbieterhälften auf zehn Cortenstahlplatten, geschaffen vom Geografie-affinen Dadi Wirz, der erst vergangene Woche mit dem Spartenpreis Kunst 2021 des Kantons Basel-Landschaft geehrt worden ist. Ein paar Schritte weiter, im Zentrum des Raums, lassen blau ­gemusterten Stoffmasken auf einem Wäscheständer erstaunt inne halten. Wie auch die Werke von Susanne Lyner, ein Bild mit geworfenem Acryl, und die Skulptur aus Kastanienholz von Peter Thommen.

Die 86 Baselbieterhälften von Dadi Wirz.
Die 86 Baselbieterhälften von Dadi Wirz – Andreas Empl

Überfordert mit der Weitläufigkeit des Raums

Die Ausstellung, die neben Maise auch von Clément Stehlin von der Fabrikculture betreut wird, präsentiert insgesamt 73 Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Sie hatten die Möglichkeit, ihr Werk auf gekennzeichneten Feldern im Raum frei zu platzieren. Dies habe laut Maise einige über­fordert, «wann kann man schon in einem Raum von solcher Weitläufigkeit ausstellen?» Sie hat es in Hégenheim bestimmt geschafft, dem Geist der Regionale gerecht zu werden, indem sie einen heterogenen Überblick über das aktuelle Schaffen der Künstlerinnen und Künstler der Triregio bietet. Und dieser Überblick zeigt: Dunkle Zeiten wie Corona können der Kunst nichts. Sie blüht weiter. Oder schlummert einfach vor sich hin.


Die Regionale 21 in der Fabrikculture in Hégenheim findet noch an folgenden Daten statt: 29. und 30. Mai, 5., 6., 12. und 13. Juni, jeweils 11 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Infos unter www.regionale.org und www.fabrikculture.net

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